Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis
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50 Jahre
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Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung
"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.î Willhelm Busch hat vor über hundert Jahren auf den Punkt gebracht, was erst heute ins Bewußtsein der Öffentlichkeit dringt und erst in den letzten Jahrzehnten das Interesse der Wissenschaft fand: daß Vater-Sein impliziert mehr als die Rolle des Erzeugers und allenfalls Ernährer eines Kindes. Wassilios E. Fthenakis hat es in diesem zweibändigen Werk als erster unternommen, die gesamte in- und ausländische Vaterforschung einer systematischen und kritischen Analyse zu unterziehen und zusammenzutragen, was die psychologische, psychosoziale und soziologische Forschung in den letzten Jahrzehnten zutage gefördert hat. Der Leser erfährt nicht nur Aufschlußreiches zur Geschichte der Vater-Kind-Beziehung, zu den unterschiedlichen Formen der Vaterschaft und zu den anthropologischen und tierexperimentellen Forschungsergebnissen, sondern vor allem auch wissenschaftlich höchst fundiertes zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung.
Handbuch Elternbildung. Wenn aus Partnern Eltern werden.
Das DFV-Handbuch Elternbildung informiert umfassend über die Arbeit mit Paaren im Übergang zur Elternschaft. Durch die Mischung von wissenschaftlichem Basiswissen, praktischen Übungen und organisatorischen Tips schlägt es eine Brücke zwischen Theorie und Praxis in der Familienbildung. Das Handbuch richtet sich an Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter, sowie Träger der Familienbildung, die mit Paaren ganzheitlich im Übergang zur Elternschaft arbeiten möchten. Sein Ziel ist es, die präventive Elternbildungsarbeit in der Familienbildung voranzutreiben. Das zugrundeliegende theoretische und bildungspraktische Modell orientiert sich an der Arbeit des amerikanischen Forscherpaares Carolyn und Philip Cowan.
Stabilität durch Partnerschaft
das Interview mit Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis führte Sabine Fritzen-Herkenhoff
Wenn vom Wandel der Familie und der Gesellschaft die Rede ist - welche Veränderungen sind damit gemeint und wie hängen sie zusammen?
Veränderungen vollziehen sich seit geraumer Zeit auf allen Ebenen der Gesellschaft und der Familie. Die Familie betreffen zum einen strukturelle Veränderungen: Das sind etwa die Pluralisierung von Familienformen, in denen heute Kinder zur Welt kommen bzw. aufwachsen, die reduzierte Geburtenrate, die Entstehung von ªneuen´ Familienformen, wie z.B. die miteinander nicht verheiratet zusammen lebenden Partner, die zunehmende Anzahl von Stieffamilien und anderes mehr. Daneben sind vor allem qualitative Veränderungen zu nennen: Veränderungen im Selbstverständnis der Partner haben Frauen veranlaßt, ihre Identität nicht mehr allein aus der Hausfrauen- und Mutterrolle zu definieren, sondern in zunehmendem Ausmaß aus Familie und Beruf. Väter haben begonnen, sich für ihre Vaterrolle zu interessieren und engagieren sich zunehmend an der Erziehung und Betreuung ihrer (auch) kleinen Kinder. Tiefgreifend gewandelt hat sich der Wert, den Kinder für ihre Eltern repräsentieren: Kinder werden in den wenigsten Fällen als eine ökonomische Ressource oder eine Hilfe im Alter für ihre Eltern gesehen. Statt dessen stellen Kinder heute vielmehr für ihre Eltern eine Quelle für Freude dar, die ihnen erlaubt, ihre Rolle als Elternteil zu erleben und sich weiter zu entwickeln; sie haben für ihre Eltern eine Sinn stiftende Funktion fürs Leben gewonnen. Für einen Teil (meist von Frauen) stellen sie allerdings auch eine Belastung dar im Bemühen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Diese qualitativen Veränderungen haben ein gewandeltes Verständnis mit sich gebracht, vom Stellenwert des Kindes in der Familie und von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung. Die Eltern werden vor das Problem gestellt, ihre elterliche Identität neu, auf partnerschaftlicher Basis zum Kind zu definieren, weil mit dieser Kindzentrierung auch eine Schwächung des Partnersystems einhergeht.
Wie ist diese Schwächung des Partnersystems zu verstehen?
Von fundamentaler Bedeutung scheint aus meiner Sicht zu sein, daß wir gegenwärtig Zeugen einer tiefgreifenden qualitativen Veränderung des Partnerschafts- bzw. Familienmodells sind. Im 20. Jahrhundert kam es zunächst zu einem in seinen wesentlichen Aspekten neuen Ehe- und Familienmodell: Man heiratete, um ein Kind zu bekommen bzw. weil ein Kind unterwegs war. Das ªkindzentrierte Familienmodell´ scheint in unseren Tagen jedoch wiederum Konkurrenz zu bekommen: Denn wir beobachten seit einiger Zeit die Entstehung eines neuen Modells, des ªPartnerschafts-Modells´. Diesem Modell zufolge liegt die Hauptmotivation für eine Partnerschaft, möglicherweise sogar für eine Ehe, in der Maximierung des individuellen Glücks in einer qualitativ hochwertigen Beziehung zu einem Partner bzw. einer Partnerin. Das Kind steht (vorerst oder überhaupt) nicht im Mittelpunkt. Das Interessante an diesem Modell, das derzeit von einem knappen Drittel deutscher Frauen bevorzugt wird, ist, daß es sich, im Gegensatz zu den anderen Familienmodellen, nur wenig sozial regulieren läßt. Denn das Maximum an Glück oder besser gesagt die subjektiv akzeptierte Glückserwartung stellt das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses dar, der permanent zwischen den beiden Partnern stattfindet. Fällt eine Kosten-Nutzen-Analyse für einen oder sogar für beide Partner negativ aus, so wird die Struktur der Beziehung ausgetauscht, indem z.B. eine Partnerschaft beendet und eine neue eingegangen wird. Hier steht die Forschung am Anfang und die Familienpolitik vor völlig neuen Aufgaben.
Ist denn Familie nicht auf Dauer angelegt?
Die Zahl der Familien, die eine Scheidung erfahren, hat sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht und hat bereits jede dritte Ehe erfaßt, mit steigender Tendenz. Etwa 21 Prozent der Kinder in den alten und fast ein Drittel in den neuen Ländern werden nicht ihre gesamte Kindheit mit beiden biologischen Eltern verbringen. Kinder und Familien von heute müssen mehr Diskontinuität in ihr Leben integrieren und eine Reihe von Übergängen bewältigen. Dies stellt Familien vor völlig neue Aufgaben, auf die sie nicht vorbereitet sind.
Profitiert die Gesellschaft von der Familie?
Gesellschaft und Politik profitieren einseitig von der Familie. Ich kenne kein anderes System in unserer Gesellschaft, das seine Leistungen in vergleichbarer Weise auf Samariterart der Gesamtgesellschaft zur Verfügung stellt, ohne Gegenleistung zu erhalten. Das ist die derzeit größte strukturelle Ungerechtigkeit, die ich kenne. Trotz mancher, wie das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts erneut bestätigt hat, unzureichender Bemühungen, die Familie ökonomisch zu unterstützen, blieb die Bereitstellung von Betreuungsangeboten für unsere Kinder - mit Ausnahme der Kinder im vorschulischen Alter - als familienbezogene staatliche Leistung weit unter den notwendigen und von anderen europäischen Ländern bereits längst erreichten Standards. Zudem wurde eine Politik entworfen, die mehr auf Ehe und weniger auf Familie in ihren vielfältigen Formen ausgerichtet war. Staatliche Familienhilfen wurden eher mit Blick auf deren administrative Handhabung und weniger auf die familialen Bedürfnisse gestaltet. Ein Befund der noch laufenden LBS-Familien-Studie besagt, daß der Erziehungsurlaub, so wie er als staatliche Familienhilfe konzipiert wurde, lediglich nur noch von elf Prozent der betroffenen Mütter und 17 Prozent der Väter befürwortet wird. Die absolute Mehrzahl der Befragten benötigte statt dessen ein Zeitkonto-Modell, damit sie der familialen Verantwortung besser gerecht werden kann.
Wann verdient Familienpolitik diesen Namen?
Der Politik ist es bislang nicht gelungen, eine explizite familienpolitische Konzeption vorzulegen. Vielmehr hat man bislang versucht, durch frauenpolitische, steuerpolitische, sozialpolitische, wohnungsbaupolitische, kinderpolitische Maßnahmen Politik für Familien zu definieren. Explizite Familienpolitik hingegen geht von den Bedürfnissen der Familie und ihren Mitgliedern aus, betrachtet dies als zentrales Anliegen der Familienpolitik und richtet ihre Erwartungen und Anforderungen an die anderen Politikbereiche.
Heißt das, Familie neu zu denken?
Wir müssen Abschied von mancher lieb gewordenen Position nehmen. Wenn wir heute von einem veränderten Partnerschaftsverhältnis sprechen, so betonen wir mehr Gleichberechtigung in der Beziehung und mehr Demokratie in der Familie. Wenn wir die Rechtsposition des Kindes befürworten, dann sicherlich nicht, um eine gute Eltern-Kind-Beziehung zu unterwandern, sondern um kindlichen Bedürfnissen mehr gerecht zu werden. Familien von heute streben nach wie vor nach Intimität, betonen Werte wie Solidarität und gegenseitiges Vertrauen. Aber wir müssen akzeptieren, daß all das in veränderten strukturellen und organisatorischen Bedingungen gedeihen kann und vielleicht muß. Wie
eine derzeit noch laufende Studie über Vaterschaft in Deutschland deutlich belegt, läßt sich ein tiefgreifender Wandel in den Elternrollen, vor allem aber in der Vaterrolle, nachweisen. Die soziale Funktion des Vaters ist zum dominanten Aspekt seiner Rolle geworden, während die Ernährerfunktion zu einer gesamtfamiliären Aufgabe umdefiniert wurde, an der auch die Mutter ihren Anteil leistet.Familienpolitik muß also weiter greifen als bisher?
Betrachtet man die bisherigen Schwerpunkte der Familienpolitik, so lassen sich im wesentlichen zwei Säulen familienpolitischer Maßnahmen erkennen: Finanzielle Hilfen für Familien und Betreuungsangebote für Kinder. Was bislang fehlt, ist eine dritte Säule der Familienpolitik.
Diese sollte Familienkompetenz zu ihrem Gegenstand machen. Das wird auch die Familie befähigen, sich bei einem so rasant verlaufenden Wandel zurecht zu finden. Wir haben die Aufgabe, den jungen Müttern und Vätern zu helfen, um ihrer Verantwortung den Kindern gegenüber gerecht zu werden. Wir haben alles zu tun, um junge Paare zu unterstützen, eine befriedigende Partnerschaft leben zu können. Partnerschaft und nicht Elternschaft bietet die Grundlage für die Familienstabilität.
Wichtige Bücher:
- Fthenakis, W. E. (1985). Väter, Band I, Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung
- Fthenakis, W. E.: Väter, Band II, Zur Vater-Kind-Beziehung in verschiedenen Familien-Strukturen. München: Urban & Schwarzenberg (DTV München 1988)
- Fthenakis, W. E. (1984). Tendenzen der Frühpädagogik. Düsseldorf: Schwann
- Fthenakis, W. E., Niesel, R. & Kunze, H.R.: Ehescheidung - Konsequenzen für Eltern und Kindern. München, Urban & Schwarzenberg
- Fthenakis, W. E., Sonner, A., Thrul, R. & Walbiner, W. (1985). Bilingual-bikulturelle Erziehung. Ein Handbuch für Psychologen, Pädagogen und Linguisten. München: Hueber
- Fthenakis, et. al. (1995). Gruppeninterventionsprogramm für Kinder mit getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern. Herausgeber: LBS-Initiative Junge Familie. Weinheim und Basel: Beltz
- Fthenakis, W. E. u. a. (1996). Trennung, Scheidung, Wiederheirat. Wer hilft dem Kind ? Herausgeber: LBS-Initiative Junge Familie. Weinheim und Basel: Beltz
- Fthenakis, W. E., Textor, M. R. (Hrsg.) (1998). Qualität von Kinderbetreuung: deutsche und internationale Perspektiven. Freiburg: Lambertus
- Fthenakis, W. E. & Eirich, H. (Hrsg.) (1998): Erziehungsqualität im Kindergarten - Forschungsergebnisse und Erfahrungen. Freiburg: Lambertus
- Fthenakis, W. E. (1999). Engagierte Vaterschaft - Die sanfte Revolution in der Familie. Herausgeber: LBS-Initiative Junge Familie. Opladen: Leske & Budrich
Quellen: http://www.kreidekreis.mwn.de/html/publikationen.html
http://www.kas.de/publikationen/berichte/LeiRev/fthenakis.html
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