POPPERs Drei-Welten-Lehre im Lichte der Wahrnehmungspsychologie samt einer metereologischen Metapher*)

 

POPPERS Philosophie läßt sich in zwei Teile zerlegen (vgl. BERNHARD 1987, S. 99): in die falsifikationistische Methodologie und in die Metaphysik bzw. Ontologie (Kosmologie). In diesem Zusammenhang interessiert nur seine Drei-Welten-Lehre, da diese seine Kosmologie, also sein Bild (Kognition) von der Welt, umfaßt. Er selber kennzeichnet diese Drei-Welten-Lehre als ontologischen Pluralismus (POPPER 1984, S. 158f). Die drei Welten sind wie folgt charakterisiert:
- Die Welt 1 ist die physische Welt der Körper und physischen Zustände, Vorgänge und Kräfte,
- die Welt 2 ist die psychische Welt der Erlebnisse und unbewußten psychischen Vorgänge, und
- die Welt 3 ist die Welt der geistigen Produkte.
Verglichen mit anderen Kosmologien bedeutet diese Drei-Welten-Lehre, daß im Dualismus die Welten 1 und 2, im materialistischen Monismus nur die Welt 1 (vgl. BERNHARD 1987, S. 101) als real akzeptiert wird. Die Welt 3 "darf man daher für dasjenige halten, um das es in der Drei-Welten-Lehre zentral geht. Man kann Poppers Ontologie also mit einigem Recht zu der These zusammenfassen, daß die Welt 3 existiert" (vgl. BERNHARD 1987, S. 102). Der Begriff der Ontologie wird in der Philosophie allerdings in äußerst unterschiedlicher Weise gebraucht. POPPER behandelt seine drei Welten als Realist, denn er fügt hinzu, daß "der metaphysische Glaube an das Bestehen von Gesetzmäßigkeiten in unserer Welt" unbedingt notwendig ist, da ohne ihn "praktisches Handeln wohl undenkbar ist" (POPPER 1982, S. 199). Sein am Alltagsverstand orientierter Realismus nimmt daher an, daß Menschen in der Lage sind, diese drei "real" existierenden Welten auch zu entdecken (vgl. POPPER 1979). POPPER verwendet den Begriff "Welt" durchaus im alltagssprachlichen Sinne, wenn er darunter den Inbegriff aller Gegenstände versteht, wobei sich diese drei Welten teilweise überschneiden (vgl. POPPER 1984, S. 17).
Im Gegensatz dazu macht der Radikale Konstruktivismus keine ontologischen Annahmen darüber, ob eine Welt unabhängig vom Erlebtwerden existiert, vielmehr läßt er diese Frage offen bzw. erklärt sie als für Menschen nicht endgültig beantwortbar. Da der Radikale Konstruktivismus sich ausdrücklich nur mit Kognitionen und Wissen beschäftigt, baut er sein Modell allein auf der menschlichen Erlebniswelt auf, also auf dem, was jedem Menschen unmittelbar gegeben ist und nicht auf dem, was darüber hinaus "sein" könnte. Darin unterscheidet sich der Radikale Konstruktivismus auch von der Evolutionären Erkenntnistheorie (LORENZ 1973), da letzterer in "Die Rückseite des Spiegels" doch eine "reale" Ontologie miteinbezieht.
Vergleichen wir mit der POPPERschen Drei-Welten-Lehre die oben genannte Einteilung von ROTH (1987) in die Dingwelt, die Körperwelt und die Vorstellungswelt bzw. die wahrnehmungstheoretischen Ebenen von BISCHOF (1987) in die perzeptive, die imaginative und die repräsentative, dann kann hier zumindest unter einem hierarchischen Gesichtspunkt eine große Ähnlichkeit konstatiert werden. Gemeinsam ist allen drei Entwürfen die Annahme der Überschneidung des Zusammenhanges der Welten bzw. Ebenen, doch spiegeln darüber hinaus alle drei auch eine Art von Ordnung wider, die die Wissenschaft in der Welt erkannt (kogniziert, perzipiert) haben will.
Der Ordnungsgedanke spielte in der Psychologie immer eine große Rolle. BISCHOF (1981, S. 31f) hebt allerdings ein Problem hervor, das sich aufgrund des vorherrschenden naturwissenschaftlichen Paradigmas ergibt: "Ordnung herrscht in der Physik, Organisation in der Biologie, weshalb denn auch jene ihren Gegenstand als "Kosmos", diese den ihren als "Organismus" zu bezeichnen pflegt. Und wenn Herrmann Weyl (1952) sagt: 'So wie ich sehe, haben alle a-priori-Behauptungen in der Physik ihren Ursprung in der Symmetrie', stellen dem Eigen & Winkler (1975, S. 141) für die Biologie den Grundsatz entgegen: 'Symmetrie muss durch einen selektiven Vorteil ausgewiesen sein, sonst könnte sie sich im Wechselspiel von Mutation und Selektion weder behaupten noch durchsetzen'. Daß eine telenome Heuristik auch der Psychologie angemessener ist als die Verwendung denkästhetischer Findeprinzipien, dafür lassen sich Beispiele in beliebiger Zahl anführen."
Es läßt sich nun argumentieren, daß eine kognitive Ordnung im Sinne der Entwicklung von solchen mehr oder minder ontologischen Ordnungen nur dem Menschen auf der höchsten Ebene der kognitiven Entwicklung möglich ist. Wie schon erwähnt, sind der Mensch und seine Kognitionen aufgrund seiner stammesgeschichtlichen Entwicklung an Grenzen gebunden, d.h., daß es nicht möglich ist vorherzusagen, ob die Anpassung - etwa durch das Erfinden von Theorien über die Welt und daher auch von Wissenschaften im weitesten Sinne - gelingen wird oder nicht. Eine Einteilung der Welt ist ziemlich sicher an den gegenwärtigen kognitiven Entwicklungsstand der Menschen gebunden, sie kann daher immer nur vorläufig sein, doch ist anzunehmen, daß der kognitive Apparat des Menschen sich aufgrund von Mutationen durchaus noch weiterentwickeln kann, d.h., daß auch seine Kosmologien an die Möglichkeiten dieses Apparates gebunden sind.
POPPERs Welt 3 enthält die Ergebnisse der Denkprozesse der Welt 2, sie ist daher für eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Handeln von größtem Interesse. In dieser Welt 3 als der Welt der abstrakten und hypothetischen Gegenstände (vgl. BERNHARD 1987, S. 102) sind alle wissenschaftlichen Theorien enthalten, diejenigen, die bisher entwickelt wurden aber auch alle noch möglicherweise entwickelbaren. "... alle geplanten oder gewollten Produkte der Menschlichen Geistestätigkeit" können als Welt 3 klassifiziert werden (POPPER 1979, S. 17) , wobei aber die Begriffe ausgenommen sind, denn sie spielen "eine lediglich technische oder pragmatische Rolle bei der Formulierung von Theorien" (POPPER 1979). Zur Welt 3 gehören auch alle möglichen expliziten und impliziten Behauptungen und Aussagen, d.h., daß Theorien auch dann existieren, wenn sie niemandem bewußt und in keiner Weise materialisiert sind (vgl. BERNHARD 1987, S. 105f). Sie kann in ihrer Totalität auch niemals von einem einzigen Menschen, aber auch nicht von der ganzen Menschheit jemals gedacht werden (vgl. POPPER 1984, S. 312f). Sie enthält daher die unendliche Potenz aller möglichen Entdeckungen. Diese Welt 3 kann daher auch als "Restkategorie" der kognitiven bzw. perzeptiven Evolution gedacht werden. In einer vorsichtigen Interpretation kann in dieser Welt 3 auch das teleologische Moment menschlicher Kognitionen vermutet werden.
Trotz der "realistisch-essentialistischen" Auffassung der Welt 3 gibt es nach POPPER eine mittelbare Wirkung auf die Welt 1, d.h., daß sie über die psychischen Zustände der Welt 2 auf die materiellen Dinge der Welt 1 einwirkt. Das kann etwa durch theoriegeleitete Manipulation geschehen, etwa in einem physikalischen Experiment. POPPER (1982, S. 64) verwendet folgendes Bild: Ein Buch gehört als physisches Ding zur Welt 1, sein Gehalt und Inhalt (über verschiedene Auflagen hinweg) gehört zur Welt 3.
Die Welt 2 (also die Welt, in der auch die Wissenschaftler wohnen) wirkt permanent durch die Erfindung neuer Konstruktionen auf sie ein, d.h., sie besitzt Geschichtlichkeit, sie ist also der Bereich einer dynamischen Wissenschaftsentwicklung (vgl. BERNHARD 1987, S. 103). In dieser dritten Welt wohnen "statements" und "propositions", die als "assertions" formuliert werden können. "Die Welt 3 ist zwar nicht identisch mit der Welt der sprachlichen Formen, aber sie entsteht zusammen mit der argumentativen Sprache: Sie ist ein Nebenprodukt der Sprache" (POPPER 1984, S. 141f). Hier wird die Ähnlichkeit mit der BISCHOFschen Konzeption besonders deutlich, denn er betont, daß die syntaktischen Kategorien erst auf der höchsten Ebene menschlicher Wahrnehmung wirksam werden.
Berücksichtigt man allerdings, daß alle Menschen aufgrund ihrer stammesgeschichtlichen Ausstattung Zugang zur Welt drei haben, dann verliert die Welt 3 POPPERs einigermaßen ihren elitären Anspruch. Dieser kommt dadurch zum Ausdruck, daß er oft von Bewohnern dieser drei Welten spricht. Man kann sich meist nicht der Vermutung entziehen, ob er diese Welt bzw. den Zugang dazu nicht doch den Wissenschaftlern vorbehalten möchte, und so erscheint dieses über den Dualismus hinausgehende Behaupten einer dritten Welt so etwas wie der Versuch, die Wissenschaft angesichts der labilen induktiven Basis, auf der sie sich bewegt und die sie allein über den Alltagsverstand (den POPPER ja in der Welt 2 ansiedelt) hinausheben könnte, zu retten.
Mit der Charakterisierung des Alltagsverstandes des gemeinen homo sapiens als "Kübeltheorien" (POPPER 1984, S. 61ff) - mit diesem Begriff qualifiziert er auch alle "Philosophien des Glaubens" (etwa Descartes, Locke, Berkeley, Hume, Kant oder Russell; vgl. BERNHARD 1987, S. 108) - wendet er sich dagegen, daß sich Wissenschaftstheoretiker mit dem erkennenden Subjekt und dessen Überzeugungen beschäftigen sollen. Damit entzieht er wissenschaftliche Erkenntnis dem Zugriff von Theorien, die sich mit dem subjektiven Bewußtsein auseinandersetzen (vgl. BERNHARD 1987, S. 108). Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß die Psychologie, die es ja mit einem reflexiven (sich selbst bewußten) Gegenstand zu tun hat, eigentlich auch eine Kübeltheorie darstellt, demnach im POPPERschen Sinne eigentlich keine Wissenschaft ist, sondern konsequenterweise bestenfalls auf der Welt 2 anzusiedeln ist.
Der Begriff "wissenschaftlich" ist bei POPPER auch mit dem Begriff der Objektivität korreliert (vgl. BERNHARD 1987, S. 108f), d.h., daß Erkenntnis in diesem Sinne immer Erkenntnis ohne erkennendes Subjekt ist (POPPER 1984, S. 112). Eine solche Auffassung widerspricht meines Erachtens deutlich der von POPPER geforderten intersubjektiven Überprüfbarkeit, die er als eine der Zentralthesen seines Falsifikationismus postuliert hat. Denn Intersubjektivität bleibt auch dann mit dem Makel der Subjektivität behaftet - ich nenne es "subjekt-imprägniert" -, wenn eine wie immer festzusetzende Elite der scientific community zu einer gemeinsamen Überzeugung findet. Dieses Modell eines Wissens ohne erkennendes Subjekt steht aber auch im Widerspruch zu der Tatsache, daß letztlich nur ein kognizierendes Subjekt eine solche Kosmologie entwickeln kann. Der Zugang zur Welt 3 ist entweder dem Menschen offen - in dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, daß wir nur zu dieser Welt allein Zugang haben - oder sie ist bloß eine mehr oder minder selektiv nützliche menschliche Konstruktion oder Phantasie.
Die POPPERsche Intersubjektivität schwebt daher auch als "reale" Wolke über dem alltäglichen Wissenschaftsbetrieb. Vermutlich rechnet das Bewußtsein der Wissenschaftler (Welt 2) mit "realem" Regen (indirekte Wirkung von Welt 3 auf Welt 1), der die Gegenstände ihrer Theorien, ihre wissenschaftlichen Pflänzchen ab und zu bewässert. Diese Metapher ist vielleicht nicht ganz der POPPERschen Kosmologie adäquat, denn strenggenommen würden die Wissenschaftler begossen. Diese lassen dann ihr Wasser auf das Pflänzchen. Ein Windstoß (KUHN, LAKATOS), der diese vertreibt, führte möglicherweise zu einem Verdursten der Welt 2 und zu einem Verdorren der Welt 1. Aber so sicher ist das alles nicht, auch wenn POPPER an anderer Stelle (allerdings in bezug auf die Welt 3) einen ähnlichen - wenn auch nicht metereologisch vermittelten - Darwinismus vertritt (POPPER 1984).
Vom Standpunkt einer wissenschaftlichen Psychologie ist eine Aussage in der "Logik der Forschung" (1982, S. 20) äußerst interessant, in der POPPER behauptet, daß subjektive Überzeugungen niemals die Wahrheit wissenschaftlicher Sätze begründen können, sondern innerhalb der Wissenschaft immer nur die Rolle eines Objekts der Forschung sein können, nämlich der empirisch-psychologischen Forschung. In Fortführung der obigen Metapher würde das bedeuten, daß sich die Psychologie mit den Auswirkungen des Regens auf die wissenschaftlichen Köpfe (Input) und dem daraus resultierenden Output zu beschäftigen hätte. Dabei ergeben sich aber einige durchaus auch erkenntnistheoretische Probleme:
- Wie kommt der Regen in den Wissenschaftler hinein?
- Was passiert im Wissenschaftler?
- Wann und zu welcher Zeit kommt er wieder heraus?
- In welchem Zustand wird der Regen weitergegeben?
Die erste Frage ließe sich damit lösen, indem wir sagen, daß Wissenschaftler den Regen nicht direkt durch die Kopfhaut aufnehmen, sondern vermutlich den Regen in irgendwelchen Gefäßen (Methoden) einsammeln und dann trinken. Daraus ergibt sich aber ein weiteres Problem: Das Regenwasser, das ein Wissenschaftler trinkt, das kann nicht auch ein anderer gleichzeitig trinken. Also muß der zweite Wissenschaftler warten, bis der erste Wissenschaftler das Getrunkene wieder von sich gibt. Da ergibt sich allerdings auch das Problem, daß das nicht mehr Regenwasser ist (ich nannte das "subjektiv" imprägniert"). Da Erkenntnis im POPPERschen Sinne bekanntlich unteilbar ist, kommt auch ein gerechtes Verteilen des gemeinsam gesammelten Regenwassers - etwa in einer Zisterne (Forschungsprogramm) - nicht in Frage. Auch ist von Gerechtigkeit des Verteilens in einer scientific community erfahrungsgemäß wenig zu halten (vgl. den Abschnitt über die Psychologie des Wissenschaftlers).
Die zweite Frage betrifft vermutlich weniger die Psychologie als die Biologie, sie soll daher unbeantwortet bleiben, auch wenn die Psychologie vermutlich einiges dazu zu sagen hätte (vgl. die in der Verhaltenstherapie umfassend betriebene Enuresisforschung). Das hängt mit der dritten Frage zusammen. Da aber im Hinblick auf eine kosmologische Sicht der Dinge der Zeitpunkt der Erkenntnis unwesentlich scheint, können wir uns der vierten Frage zuwenden. Der Zustand des Outputs hängt einerseits von Inputbedingungen ab, d.h., wie aufnahmebereit (durstig) war etwa der Wissenschaftler, andererseits von den (Verarbeitungs)Mechanismen der Black-Box, also den internen Strukturen des Wissenschaftlers. Beides sind genuin psychologisch-wissenschaftliche Sachverhalte. Die entscheidenden Punkte sind einerseits die Motivlage, andererseits die Lernfähigkeit des Wissenschaftlers. Über beide kann die Psychologie zwar etwas vermuten, aber da sie nach der POPPERschen Einteilung der Wissenschaften keinen direkten Zugang zum Regen hat, vielmehr in einer Glaubenswelt 2 herumgeistert, läßt sich nichts Sicheres sagen. "Unser Wissen" ist im Gegensatz zum "objektiven Wissen" eine "psychologische Angelegenheit, vage beschreibbar als ein System von Dispositionen", das mit "Evidenzerlebnissen" und "Überzeugungserlebnissen" zusammenhängt (POPPER 1982, S. 65). Diese haben für den Erkenntnistheoretiker, der sich für Begründungen interessiert, keine Bedeutung; "sie sind überhaupt für jeden irrelevant, der sich mit Wissenschaft beschäftigt" (BERNHARD 1987, S. 115). Die Psychologie als Zisternen- und Latrinenforschung muß daher scheitern.
GIGERENZER (1988) kritisiert ähnlich - wenn auch nicht metereologisch -, insbesondere in bezug auf die kognitive Psychologie, den auch in der Wissenschaftstheorie vorhandenen blinden Fleck: "die Aufmerksamkeit gilt vornehmlich dem 'context of justification', d.h. dem Kontext, in dem bereits vorhandene Theorien geprüft werden; der 'context of discovery', d.h. der Kontext, in dem die Theorien entstehen, bleibt dagegen im Dunkeln. Philosophen wie Karl Popper haben diese Ignoranz gefördert, indem die Entstehung von Theorien als ein letztlich unerklärliches, mystisches Geschehen hingestellt wird. Im Zusammenhang mit Thomas Kuhns Programm einer Psychologie der Forschung statt einer Logik der Forschung weist Popper beispielsweise Kuhns Absicht, die Frage ernst zu nehmen, als 'erstaunlich und enttäuschend' von sich (Popper, 1974, p. 57). Poppers Einfluß mag eine der Ursachen sein, warum auch Psychologen sich damit bisher nur am Rande befaßt haben" (GIGERENZER 1988, S. 91).
In der Welt 3 ist nach unserer Auffassung vor allem das "Irrationale" - in dem in dieser Arbeit genannten Sinne - anzusiedeln, wobei sich dieses als mit dem Rationalen komplementär verbunden darstellt. Aufgrund der Geschichte des Menschen wird man auch annehmen können, daß in dieser dritten Welt ein deutliches Übergewicht des Irrationalen besteht, denn jeder Unsinn und jede auch nur mögliche (im Sinne von denkbar-"undenkbar") Spekulation hat hier ihren Platz. Für eine psychologische Analyse der Wissenschaften ist daher das Irrationale ein wichtigerer Gegenstand als das Rationale, das sich ohnehin ständig ändert. Diese Welt 3 kann zugleich als Schutthalde wie auch als Hoffnungsgebiet für künftige Generationen betrachtet werden, eben je nach Perspektive. In dieser dritten Welt sind aber alle anderen Formen der Welterkenntnis zu lokalisieren, als da sind Kunst, Religion, Ideologie u.v.m. Das größte Problem einer Psychologie der Welt 3 dürfte daher sein, eine adäquate Psychologie der Kunst oder der Religionen zu entwickeln, denn diese spielen im vorherrschenden Wissenschaftsmodell der Psychologie doch eine eher untergeordnete Rolle.


Dieser Text ist ein Ausschnitt aus meinem Buch
Das neue Paradigma der Psychologie. Die Psychologie im Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Braunschweig: Vieweg (1989)


© Linz 1996 Werner Stangl.