SIEB.10/LYRIK/







Werner Stangl

protokoll 

mit der zeit war er klüger geworden, wenn er auch nicht verstehen konnte.
die zeit war schuld. das sagten alle.
als er das letztemal die tür ins schloss warf, kam es ihm vor,
als hätte er das letzte hindernis überwunden.

doch er stolperte über sein aufatmen.

ein andrer hätte geflucht, aber er hasste flüche.
der regenbogen war mit der sonne gegangen.
vor dem fenster lag das land so leer und fremd.
ein paarmal nahm er den ring vom finger, hielt ihn gegen das blinde licht.

er wollte sich vergewissern.
zufrieden steckte er den ring wieder an.
ich habe recht gehabt, sagte er mehr zu den andern als zu sich.
er vergaß die schläge der uhr zu zählen, doch er wusste wieviel es geschlagen hatte.

seltsamerweise spürte er keine unruhe.
es hat sich zuviel verändert, meinte er seufzend,
nahm die tageszeitungen der letzten woche und verbrannte sie im kamin, der zu erlöschen drohte.
das flackern der flammen spiegelte sich in seinen augen und eine fremde wollust erfüllte seine gedanken.

er streckte die hände aus um ein wenig der wärme einzufangen.
wieder glänzte der ring an seiner hand.
zweifelnd schüttelte er den kopf.
ein windstoß, der durch den schlot fegte und die glut aufleuchten ließ, knisterte im papier, das in sich zerfiel.

er blickte zur tür.
sie war geschlossen.
vor dem fenster lag noch immer das fremde leere land.
war er wirklich klüger geworden?





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NEUE WEGE Nr. 232 24. Jg Dezember 1968